Bianca Regl goes Berlin
Reisen, 10/10/08 | Nicola Puchas

Berlin ist nicht irgendeine Stadt, Berlin hat eine turbulente, nicht immer ruhmreiche Vergangenheit und vielleicht gerade deshalb Charakter. Hauptstadt ist Berlin bereits gewesen und seit 1990 wieder, kurz darauf haben sich auch Regierung und Parlament wieder hier eingerichtet. Doch im Gegensatz zu anderen europäischen Hauptstädten, stolzen und prächtigen Städten, versprüht Berlin einen ganz eigenen Charme, morbide und fast verkommen, wirkt wie das Aschenputtel unter den Hauptstädten. Untypisch für eine Hauptstadt: Berlin ist langsam. Und ein bisschen leer. Noch untypischer: Berlin ist nicht teuer. Und so kommt es, dass Kunst und Kultur hier wachsen und gedeihen, die unterschiedlichsten Menschen diesen Schmelztopf der Kulturen zur Heimat wählen und die Kreativität keine Grenzen kennt.
Auch die gebürtige Oberösterreicherin Bianca Regl hat Wien verlassen, Los Angeles hinter sich gelassen und sich nun in Berlin niedergelassen, um hier der Kunst zu frönen. Zumindest für den Moment, erklärt mir die junge Malerin in ihrem Atelier am Kreuzberger Paul-Lincke-Ufer, denn alt werden sieht sie sich in Berlin nicht. Nach ihrer Zeit im hektischen Los Angeles ist Berlin ihr zu geruhsam. Was ihr an LA missfiel fehlt ihr in Berlin. Nach amerikanischer Hektik und der ewigen Suche nach dem schnellen Geld, den zündenden Ideen, den richtigen Kontakten muss Bianca Regl in Berlin tagtäglich ihren inneren Schweinehund bekämpfen, um sich nicht von der etwas müden Masse mitreißen zu lassen. „Element of Crime“ sangen einmal von der Unleidlichkeit des Sonntags „denn da irren alle Menschen so wie Quallen durch die Stadt“. In Berlin tun sie das auch wochentags. Nur nachts ändert sich das Bild, wenn Berlins Partyszene erwacht und scheinbar niemals schlafen geht. 72 Stunden werden da zu einer einzigen Fete, die Stadt ohne Sperrstunde macht ihrem Namen alle Ehre. Die verschiedensten Typen schwirren da durch die Straßen, Gestalten der unterschiedlichsten Couleurs, jung und alt, eine Miskulanz so bunt und erfrischend wie nur Berlin sie hervorbringen kann, und “Kreuzberger Nächte sind lang”.
Kreuzberg ist auch der Stadtteil, den Bianca Regl zu ihrem Wohn- und Arbeitsort gewählt hat. In ihrem Loft, das sie mit Malerkollege Robert Muntean teilt, fühlt sich die junge Frau sichtlich wohl. Als ich die Wohnung betrete werde ich von einer getigerten Katze empfangen, die sich zwischen Wohnräumen und Atelier schnurrend hin und her bewegt und zum Glück die Couch als Kratzbaum entdeckt hat und nicht die kraftvollen Orchideenbilder, die noch feucht an der Wand lehnen. Penibel sortiert liegen die Farbtuben auf einer alten Türe, die zum Tisch umfunktioniert wurde, verwunderlich, wenn man das Klischee der verwirrten Künstlerin vor Augen hat. Doch auch andere Klischees widerlegt die hübsche, sympathische Malerin, die erst 2006 nach einem Studienjahr in Los Angeles ihr Studium an der Akademie für angewandte Kunst in Wien beendet und bereits in Wien, Berlin und LA in mehreren Galerien vertreten ist. So ist sie beispielsweise nicht schüchtern und verklemmt, wie Künstlerinnen doch eigentlich sein sollten. Bianca Regl ist offen, neugierig und interessiert. Sie ist gerne unterwegs, die Anwesenheit auf ihren Ausstellungen scheint ihr sichtlich Freude zu machen. Wir besuchen gemeinsam die Finissage der Gemeinschaftsausstellung „Red Room“ im Künstlerhaus Bethanien, wo mir zwischen Plastiken und Installationen riesengroße Münder entgegenzüngeln, die Bianca in der letzten Zeit auf die Leinwand gezaubert hat. Der für sie typische blaugraue Hintergrund ist zwar durch das rote Licht im Raum leider verfälscht, der Plastizität der Bilder tut dies aber keinen Abbruch. Und während wir uns noch wundern, ob der nackte Mann gleich neben uns ein Kunstwerk oder einfach nur ein Berliner Ausstellungsbesucher ist denke ich, wie sehr die talentierte junge Frau doch in diese Stadt passt. Offen, selbstbewusst und voller Ideen, jedoch kein bisschen überheblich sind die beiden, aber vielleicht ist diese Liebe zu Berlin ja etwas, was noch wachsen kann in Bianca Herz. So wie ihre Kunst noch weiter wachsen wird, denn noch sieht sie sich beruflich erst am Anfang eines weiterhin aufregenden Weges, den sie zielstrebig weitergehen wird, ob in Berlin oder woanders, man wird sehen.