Bilder, die uns gelassen verschmähen
Kulturvollzug Deutschland, 30.8.2014 | Michael Wuest
Abgetragenes Dekor, Zeugnisse von Lebenshaushalten, Tapeten, Brokat, Faltenwürfe. Die österreichische Malerin Bianca Regl zeigt in den drei liebenswürdigen Kiosken der Galerie Headegg noch bis zum 4. September 2014 Arbeiten aus den Serien „Folds“, „Stucco“ und „Wallpapers“. Was auf den ersten Blick manchem nur als dekorativ erscheinen mag, erweist sich alsbald in der Stille als gesprächig, raunend. Leise sprechend von untergangener Häuslichkeit, als übriggebliebene Gestaltung von verschwundenen Räumen.
Das ist mutig, denn um diese Bilder zu „hören“, muss man ihr anfängliches Schweigen erst einmal abwarten können. Dann berichten sie von Innenleben, so wie halb abgerissene Häuser, wie aufgerissene, zerwirkte Lebenswelten, wo wir mit Trauer Idole auf Plakaten in Kinderzimmern von der Straße aus erblicken müssen. Über einem Rand, dem Schatten der Bettkante an der Mauer.
Die Bilder von Bianca Regl sind nicht auf der Suche nach der verlorenen Zeit, sie sind die verlorene Zeit selbst. Ihre Muster von Vorhängen, Tapeten, Bezügen umhüllten ihrer Zeit Räume, beschlossen sie, definierten sie als Grenzen des Innenlebens. Scheinbar unbeteiligt gelingt es der Künstlerin mit schnöder Schablonentechnik und Aufrollen in Abstufungen das Erzählmoment der Entropie zu entfalten. Die Poesie einer Nachricht, der Geruch in einer Schublade, die lange nicht geöffnet war. Der Besucher des Haushaltes „Leben“ fantasiert in den Mustern des Bildes „Waterfall“ das ferne Durchscheinen orientalischen Lichts, Brokatprotz insinuiert uns ein maghrebinisches Bordell, die Faltenwürfe gar spotten jenseitig. Ohne Anteilnahme, ja. Denn Poesie verwahrt sich gegen explizite Hinweise, eher spräche das poetische Piktogramm darin, es selbst zu sein, als zu weisen wo immer auch hin.
„… Denn das Schone ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch gerade ertragen, und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmaht, uns zu zerstoren.“ Der berühmte Ausspruch von Rainer Maria Rilke steht über der Pressemitteilung. Wahr ist das für den Anfang, beim Betreten der Ausstellung. Am Ende, nachdem die Bilder von Biancha Regl uns zuflüsterten, sahen wir ein Ende des Schreckens: Schönheit, die an der Zeit vorüber ging.
Headegg Munich, Trogerstrasse 19, noch bis 4. September 2014, Infos auch über Mail kontakt@headegg.com. Geöffnet ist von Montag bis Freitag 8-16Uhr.